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Zur aktuellen Diskussion über Windkraft in Münchhausen

Windkraftanlagen sind immer dann ein Thema, wenn sie „vor der Haustür“ im engeren Umfeld errichtet werden sollen. Leider wird die Diskussion darüber sehr oft unsachlich und ohne die Einordnung in einen Gesamtzusammenhang geführt.

Unstrittig ist, dass wir Strom (grundsätzlich Energie) benötigen: für den eigenen Haushalt, für die Infrastruktur der Gemeinde, für die Mobilität (Elektroautos), für Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie. Gegen alle derzeit in größerem Stil nutzbaren Energieträger und Stromquellen gibt es nachvollziehbare Kritik: Nutzung fossiler Energieträger für Heizung, Mobilität und Stromerzeugung verbietet sich, da die Vorkommen endlich sind und die Förderung und Verbrennung die Umwelt belastet. Nutzung der Kernenergie verbietet sich aus Sicherheitsgründen und Umweltbelastung durch Radioaktivität und Abwärme. Nutzung der Windkraft verbietet sich wegen der Eingriffe in die Natur, die Beeinträchtigung der Wohnqualität der Anwohner und ungeklärter Risiken für Gesundheit und Umwelt. Nutzung von Photovoltaikanlagen verbietet sich, da die Rohstoffgewinnung für die Solarelemente unter nicht menschenwürdigen Bedingungen und die Produktion in China erfolgt, sowie die Entsorgung am Ende der Lebensdauer nicht geklärt ist. Weitere effektive Biogasanlagen erfordern Biomasse, die in Monokulturen auf bisherigen fruchtbaren Ackerflächen wachsen muss. Neue Staudämme zur Nutzung der Wasserkraft möchte auch niemand.

Also was? Egal wo der Strom herkommt – Hauptsache nicht von vor meiner Haustür? Das ist ein Dilemma, das wir nicht auf kommunaler Ebene lösen können – das hat größere Dimensionen.

Hier fehlt nach wie vor ein nachhaltiges Gesamtkonzept für Deutschland, ja für Europa. Die Prioritäten sind falsch gesetzt: Energie, die wir nicht verbrauchen, muss nicht produziert werden. Dieser Punkt müsste auf Platz 1 stehen. Überschüssige Energie muss gespeichert werden können. Hier gibt es viele Ideen, aber so recht keinen Fortschritt, da man damit aktuell kein Geld verdienen kann. Energie sollte möglichst nahe dem Verbraucher erzeugt werden. Windstrom aus der Nordsee nach Bayern zu transportieren kann nicht die Lösung sein. Hierzu gab es schon 2012 „Gedanken zur Energiewende“.

Da diese Problematik nicht kurzfristig lösbar ist – insbesondere nicht bei den derzeit verantwortlich Regierenden – müssen wir mit Kompromissen leben. Dabei können wir nicht nur lokal, sondern müssen gesamtgesellschaftlich denken. Wir wollen in Münchhausen vom Land Hessen als strukturschwache Region gefördert werden. Wir wollen auch etwas von den Gewinnen in Frankfurt und Eschborn abhaben. Andererseits können Frankfurt und Eschborn kaum ihren Energiebedarf auf eigener Fläche generieren. Man ist darauf angewiesen, Energie aus dem Umland zu beziehen. Das heißt aber auch, dass wir mehr Energie produzieren müssen, als wir selbst verbrauchen. Auch ein weiterer Aspekt ist relevant: Münchhausen als finanzschwache Gemeinde wird ohne die Einnahmen aus Windkraft und Photovoltaik langfristig immer wieder Probleme haben, den Haushalt auszugleichen.

Ziel der UGL war dabei schon immer, Lösungen zu finden, die im Interesse der Gemeinde liegen. Schon im Wahlprogramm 2001 stehen wir für „Windkraft an unproblematischen Standorten“. Der Beitrag zu Klimaschutz und Energiewende soll unsere Landschaft nicht zerstören, auf möglichst breite Akzeptanz der Bürger stoßen und vielleicht auch noch einen finanziellen Gewinn für Bürger und Gemeinde abwerfen (siehe Beitrag zur „Windkraft in Münchhausen“ aus 2016). Dabei sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinde begrenzt. Auf den im aktuell gültigen Regionalplan Mittelhessen ausgewiesenen Vorranggebieten (siehe Karte) kann grundsätzlich jeder Betreiber Windkraftanlagen errichten. Die einzige Möglichkeit der Einflussnahme der Gemeinde sind Maßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung, die sich allerdings dem Regionalen Raumordnungsplan unterordnen müssen.

Die Vorranggebiete wurden in langwierigen Verfahren durch das Regierungspräsidium erarbeitet und von der Regionalversammlung beschlossen. Der Regionalplan Mittelhessen 2001 war der erste, der solche Gebiete auswies. Das weckte die Hoffnung, angrenzend an den Windpark Ernsthausen (1998!) im Gebiet der Gemarkung Wollmar Windräder errichten zu können. Im Regionalplan 2010 wurde das Gebiet bestätigt. Die daraufhin eingereichten Planungen wurden dann allerdings aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigt (in Ernsthausen gingen 4 weitere Windräder 2011 ans Netz). Dann kam die Wende – in den Entwürfen zu einem Teilregionalplan Energie ab 2012 wurden für Münchhausen 3 neue Vorranggebiete ausgewiesen: 3101 Oberasphe, 3102 westlich Niederasphe, 3103 in der Mitte der Großgemeinde. Das Gebiet in Wollmar wurde nicht mehr aufgenommen. Die Stellungnahme der Gemeindevertretung im September 2012 forderte die Wiederaufnahme des Gebietes bei Wollmar, stimmte aber den 3 neuen Gebieten mehrheitlich zu und forderte nur eine Reihenfolge der Bebauung: erst 3101, dann 3102 und zuletzt 3103. Ein Änderungsantrag der UGL, das Gebiet 3103 aus der Liste zu streichen, fand keine Mehrheit. Weitere in den Offenlegungsverfahren eingebrachte Einsprüche aus Münchhausen wurden im Wesentlichen nicht berücksichtigt, so dass mit Beschluss der Regionalversammlung Mittelhessen Ende 2016 drei Vorranggebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgewiesen worden sind.

Die UGL hat sich bisher immer dafür stark gemacht, dass nur eines der Vorranggebiete genutzt wird. Gewünscht war die Realisierung von Windkraftanlagen im Vorranggebiet Oberasphe (3101). Jedoch zeichnete sich hier keine Möglichkeit der Realisierung ab. Das Gebiet westlich Niederasphe (3102) wurde im Interesse der Niederaspher Bürger ausgeschlossen. Damit verblieb nur das Gebiet in der Mitte der Großgemeinde (3103). Das ist die derzeit gültige Beschlusslage der Gemeindevertretung, der alle Ortsbeiräte – auch der aus Niederasphe – zugestimmt haben. Weiter hat die Gemeindevertretung im April 2014 einstimmig den Planungsauftrag an die Fa. Krug vergeben, mit der Auflage das Gebiet als Poolmodell zu entwickeln, so dass alle Eigentümer dabei profitieren.

Die laufenden Planungen, die 2016 in einer Bürgerversammlung vorgestellt wurden, konnten nicht fortgeführt werden, da sich das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) zum 1.1.2017 gravierend geändert hat. Die Förderhöhe wird über Ausschreibungen festgesetzt: wer am wenigsten Förderung haben will, bekommt den Zuschlag für den Windradbau – der Standort spielt zunächst keine Rolle. Dies führte dazu, dass sich geplante Projekte insbesondere für regionale Anbieter nicht mehr rechnen. Letztlich können nur höhere Windkraftanlagen mit höherer Stromausbeute die Wirtschaftlichkeit wieder herstellen. Dazu kommt, dass die großen Energiekonzerne versuchen, das Geschäft unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Die aktuell von der Fa. Krug geplanten Anlagen mit einer Turmhöhe von 169 m sind deutlich höher als die in Ernsthausen mit einer Turmhöhe von 105 m. Einen Einfluss darauf hat die Gemeinde nicht, da das übergeordnete Baurecht gilt. Auch die UGL tut sich durchaus schwer mit dieser Tatsache – jedoch haben wir der Entwicklung, die entgegen der ursprünglichen Prioritätenliste verlaufen ist, zugestimmt, denn wir müssen unseren Beitrag zur Energiewende leisten. Die Entwicklung war so nicht absehbar. Zu hoffen ist, dass die fortgeschrittene Technologie neben höherer Effizienz auch eine geringere Lärmbelastung bringt und u.a. die Blinklichter jetzt radargesteuert werden und nur noch bei Bedarf blinken.

Ein Wort zu den Windkraftgegnern: wir sind gerne bereit, sachlich und auf wissenschaftlicher Basis zu diskutieren. Wie zu Beginn dieses Textes haben wir durchaus auch kritische Anmerkungen. Jedoch verbietet es sich, mit verschwörungstheoretischen, pseudowissenschaftlichen, Angst verbreitenden Argumenten die Bürger zu verunsichern und Keile in die Bevölkerung zu treiben.

Übrigens: Weitgehend unumstritten sind in Münchhausen die beiden Photovoltaik-Parks in Niederasphe und Oberasphe. Allerdings sollte auch hier darauf hingewiesen werden, dass es noch völlig offen ist, wie ggf. die Entsorgung, Verwertung und der Rückbau funktioniert.

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